Der „Sei Perfekt“-Antreiber: Die verborgenen Stärken eines Perfektionisten

 

Heute stellen wir uns einmal Julius vor. Sie haben die bereits veröffentlichten anderen Teile verpasst? Kein Problem! Lesen Sie diese hier:

>>> Stärke und Herausforderung – „Mach es allen recht“.

 

Nun also zu Julius, er war schon immer ein Mensch, der die höchsten Ansprüche an sich selbst stellt. Er ist derjenige, der bei jedem Projekt bis spät in die Nacht arbeitet, um sicherzustellen, dass jedes Detail perfekt ist. Er hat die Fähigkeit, komplexe Systeme zu durchdringen und setzte sich selbst die höchsten Ziele. Diese unermüdliche Streben nach Perfektion, wird durch seinen inneren „Sei Perfekt“-Antreiber aufrecht erhalten, ein Konzept aus der Transaktionsanalyse.

 

Die Transaktionsanalyse

Was genau ist das eigentlich?

Die Transaktionsanalyse, die von Eric Berne entwickelt wurde, ist ein spannendes Tool zur Analyse menschlicher Interaktionen. Sie unterteilt unser Verhalten in drei Ich-Zustände: Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich und Kind-Ich. Diese Zustände prägen, wie wir kommunizieren, Entscheidungen treffen und unsere Beziehungen gestalten.

Die inneren Antreiber

Das Modell der inneren Antreiber beschriebt unsere Handlungsmodelle und Verhaltensmuster auf die wir unterbewusst in Stress- und Belastungssituationen zurückgreifen. In unserer Kindheit, haben sie und als gutgemeinte elterliche Aufforderungen handlungsorientierung geboten. Diese verinnerlichten Stregien helfen uns nun im Erwachsenenalter dabei, uns trotz Stress innerlich gut zufühlen. Es lohnt sich einen Blick auf diese inneren Verhaltensmuster zu werfen, da sie uns zwar antreiben jedoch auch Einengen können.

 

Die Stärken des ‚Sei Perfekt‘-Antreibers

Perfektionisten wie Julius haben viele Stärken, die oft übersehen werden. Ihre Fähigkeit, perfekt zu arbeiten und komplizierte Systeme zu verstehen, ist beeindruckend. Julius‘ Detailorientierung machen ihn zu einem wertvollen Teammitglied. Er bereitet sich perfekt auf Herausforderungen vor und nimmt in seiner Kommunikation gern Kritik und Ergänzungen vorweg, um sicherzustellen, dass seine Arbeit unanfechtbar ist. Um also vorsorglich zu verhindern, dass KollegInnen sagen könnten: „Das hast du nicht gesagt.“ „Das hast du nicht bedacht.“ oder „Das hast du noch nicht erledigt.“

Diese Ressourcen und Stärken zeigen sich oft in Bereichen, in denen Präzision und Perfektion entscheidend sind. Beispielsweise in der Flugsicherung oder im Operationssaal wünscht man sich Menschen wie Julius. Dort sind Perfektion und detailgenaue Arbeit nicht nur geschätzt, sondern lebenswichtig.

Woran erkennt man die „Sei perfekt“-Menschen?

Julius‘ Perfektionismus zeigt sich nicht nur in seiner Arbeit, sondern auch in seiner Körperhaltung. Er ist gern einmal angespannt, mit einem ernsten Blick und einer aufrechten, starren Körperhaltung. Er rechtfertig sich häufig und versucht, Dinge noch genauer und besser zu machen, um Kritik vorzubeugen. In sozialen Interaktionen führt dies jedoch oft dazu, dass sein Gegenüber sich minderwertig fühlt und den Eindruck bekommt, niemals gut genug zu sein.

Die soziale Diagnose: Wie Perfektionismus auf andere wirkt

Julius merkt zwar, dass seine KollegInnen nach und nach ihre Aufmerksamkeit von ihm zurückziehen, aber er weiß nicht warum. Seine KollegInnen fühlen sich durch seine makellosen Ausführungen eingeschüchtert und verunsichert im Sinne von „Das was er/sie will, erreiche ich sowieso nicht“. Manche reagieren mit Abwertung oder schließen ihn sogar aus. Der Perfektionismus von Julius führt manchmal zu wenig Kontakt und Austausch in Sachthemen, weil seine Arbeit als unantastbar gilt und somit wenig Raum für Zusammenarbeit lässt. Seine KollegInnen reagieren oft in Formen wie Unterordnung, Besserwissen, Relativieren oder Kritisieren.

Emotionale Dynamik und Beziehungsmuster

Wenn Julius mal genauer in sich hinien hört, hat er meist das unterschwellige Grundgefühl, als Person nicht liebenswert zu sein und oder niemanden zu finden, der genügend Anteil an den Interessen und Ideen nimmt, mit denen er sein Selbstwertgefühl verbindet. Julius versucht dann, statt dem, was er ist, anzubieten, was er leisten kann. Nach dem Motto: „Da fraglich ist, ob Ihr mich schätzt, biete ich eine solche Leistung, dass man mir die Anerkennung nicht verweigern kann.“

Julius ist sich sicher, dass er nur dann Anerkennung findet, wenn er perfekt ist und keine Fehler macht. Dieses Bedürfnis nach Perfektion provoziert jedoch häufig genau das Gegenteil: Kritik und Wettbewerb. Seine ständigen Absicherungen ziehen die Kritik, die er so sehr zu vermeiden will, geradezu an. Und der Effekt, Anerkennung für Leistung zu bekommen, tritt um so weniger auf, je perfekter er versucht zu sein.

Wenn Julius tatsächlich mal einen Fehler macht, führt dass oft zu verächtlicher Belehrung durch die KollegInnen. Seine Mitmenschen fangen manchmal sogar an, mit inhaltlich fragwürdigen Argumenten, seine Leistung oder sein Verhalten zu kritisieren.

Aber in der inneren Logik von Julius bedeutet diese Kritik: „Ihr schätzt mich nicht, weil Ihr selbst unfähig seid.“ Oder gegenüber Respektspersonen bedeutet es für ihn: „Du schätzt mich nicht, weil ich es noch nicht perfekt genug gemacht habe.“

Hier versucht Julius es dann manchmal mit erneuter Anstrengung, um es noch perfekter zu machen. Und hier beginnt ein Teufelskreis, den die benötigte Anerkennung bleibt aus und hält ihn immer wieder in einem unguten Gefühl.

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    Antithesen zum „Sei Perfekt“-Antreiber

    Julius innere Überzeugungen des „Sei Perfekt“-Antreibers lauten zum Beispiel: „Ich bin nur dann ok, wenn ich perfekt bin.“ Oder „Ich bin wertvoll durch das, was ich leiste.“

    Eine stimmige Umkehrung dieser Überzeugungen also Glaubenssätze, kann daher sehr erleichternd sein. Hier können ihm Sätze helfen wie zum Beispiele: „Du bist wertvoll für dein Team, weil du etwas leistest und dich bemühst, das Beste zu geben.“ Eine wichtige Botschaft an Perfektionisten wie Julius lautet: „Auch Du darfst aus Fehlern neues lernen.“

    Reflexionsübung für Sie als lesende Person:

    Grundbedürfnisse in Beziehungen

    • Sicherheit
    • Veränderung(Wechsel/Wandel)
    • Freiheit (Autonomie)
    • Verbundenheit (Beziehung)
    • Anerkennung
    • Sinn

    Beantworten Sie für sich folgende Fragen:

    1. Welches der Grundbedürfnisse ist für mich persönlich / in der Arbeit besonders wichtig?  Auf welches Grundbedürfnis bin ich besonders angewiesen?

    2. Zu was neige ich in Situationen, in denen mein wichtigstes Grundbedürfnis nicht befriedigt wird?

    Die verborgenen Tugenden erkennen und würdigen

    KollegInnen und Mitmenschen realisieren oft nicht, welche moralischen Vorstellungen in Julius seiner „Sei Perfekt“-Dynamik enthalten sind. KollegInnen empfehlen ihm dann „Lass doch mal Fünfe gerade sein.“ Oder „80% ist das neue 100%“.

    Aber damit fühlt er sich in seinem Sinn für Komplexität und dem Streben nach Vollkommenheit nicht verstanden. Beides ist aber wesensgemäß und daher wichtig für sein Gefühl, angemessen erkannt oder wahrgenommen zu werden. Das zeigt sich bei ihm zwar als übertriebene Tugend, die damit zum Laster wird, entspricht aber dennoch seiner wesensgemäßen Haltung. Ihm einfach nur die Erlaubnis anuzbieten im Sinne von: „Du brauchst nicht so perfekt zu sein.“ ist daher keine hilfreiche Antwort für Ihn.

    In der Zusammenarbeit mit Julius entsteht aber eben leicht ein Nicht-OK-Gefühl im Gegenüber, aus dem heraus man nicht die Souveränität hat, ihn in seiner Tugend zu würdigen. Daher versucen KollegInnen, ihn den eigenen Vorstellungen von Beziehung zu unterwerfen oder zumindest in der vorgetragenen Überlegenheit zu demontieren. Notwendig ist aber eine wertschätzende Haltung und die Würdigung der Wesensart des Perfektionisten.

    Konterdynamik: Die Flucht in das Gegenteil

    Von Konterdynamik spricht man, wenn sich jemand zwar an der Logik einer Dynamik ausrichtet, aber versucht, ihr durch verneinendes Verhalten auszuweichen. ZynikerInnen sind z.B. oft hoffnungslose IdealistInnen.

    Julius bemerkt beispielsweise manchmal, das er sich so überfordert fühlt von den Anforderungen, dass er in eine „Alles egal“-Haltung verfälll. Diese Konterdynamik ist seine Reaktion auf die Unmöglichkeit, perfekt zu sein. Sie kann jedoch genauso belastend für ihn sein und erfordert ebenfalls eine Anerkennung und Würdigung der zugrunde liegenden Werte und Bemühungen.

    Praktische Tipps zur Kompensation

    • Frage dich das nächste Mal: „Hab ich nach den Erwartungen gefragt bzw. ist das Ergebnis genau definiert? Und was wäre demendsprechend, ein stimmiges Ergebnis für mich?“
    • Versuche dir Teilziele zu setzen und fokusiere dich erstmal nur darauf.
    • Überlege dir, wem du eine Aufgabe gegeben hast und was hier eine faire Erwartungshaltung wäre.
    • Versuche Verbesserungen zu sammeln und diese nur zu festgelegten Terminen mit dem Team zu teilen.

    Schlussgedanken: Perfektion als wertvolle Ressource

    Julius Geschichte zeigt, dass Perfektionismus nicht nur eine Belastung, sondern auch eine wertvolle Ressource sein kann. Es ist wichtig, diese Tugend in einem Maße zu leben, dass die Menschlichkeit bewahrt. Eine liebevolle Haltung und die Würdigung der Wesensart sind entscheidend, um diesen Menschen das Gefühl zu geben, angemessen erkannt und geschätzt zu werden. Perfektionismus mag eine übertriebene Tugend sein, aber in vielen Bereichen des Lebens ist er unverzichtbar.

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